Belastungsadaptierte Therapiebausteine

PSB1: Entwicklung und Effizienzprüfung sportartengruppen- bzw. belastungsadaptierter differenzierter Trainings- bzw. Therapiebausteine unter Berücksichtigung der Erfahrung aus MiSpEx I

D. Fett1, K. Trompeter1, Dr. K. Heinrich2, Prof. Dr. GP. Brüggemann2 & Prof. Dr. P. Platen1

1Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Sportmedizin und Sporternährung

2Sporthochschule Köln, Institut für Biomechanik und Orthopädie

Einleitung & Problemdarstellung

Im Spitzensport herrscht ein straffes Zeitmanagement. Die Trainingspläne sind häufig so konzipiert, dass sie ein Optimum zwischen Training und Erholung anstreben  und zusätzliche Trainingseinheiten  kaum zu realisieren sind. Präventive und rehabilitative Maßnahmen zur Vorbeugung bzw. Verbesserung von Rückenbeschwerden sind jedoch von großer Bedeutung und nicht immer im Trainingsplan verankert. Ziel dieser Studie ist die Entwicklung und Effizienzprüfung sportartspezifischer bzw. belastungsadaptierter differenzierter Trainings- bzw. Therapiebausteine. Die Übungen sollen auf der MiSpEx-Intervention [1] basieren und um einen Kanon weiterer Übungen ergänzt werden, die die jeweiligen sportartspezifischen Hauptbelastungsbereiche ansprechen. Zudem sollen die Übungen so konzipiert werden, dass sie in ein Aufwärm-, Athletik- oder Krafttraining eingebaut werden können. Das Studienziel wird in  6 Teilstudien erarbeitet.

Methodik

Teilstudie 1: Fragebogenerhebung zur Rückenschmerzprävalenz und zur Lokalisation der Hauptbelastungsbereiche.

Um die Übungen an die Hauptbelastungsbereiche zu adaptieren, müssen diese zunächst lokalisiert werden. Hierzu wurde ein standardisierter Fragebogen eingesetzt, der sich aus verschiedenen validierten Fragebögen zusammensetzt (Nordic Questionnaire [2], Schmerzgraduierung nach von Korff [3],  Avoidance-Endurance Questionnaire [4], Beck Depression-Inventar – FS [5]). Dieser Fragebogen wurde mithilfe des DOSBs an alle Kaderathleten/innen gesendet (N≈4000).

Teilstudie 2: Analyse von Rahmentrainingsplänen olympischer Sportdisziplinen im Hinblick auf bereits verankerte präventive Maßnahmen.

Alle olympischen Sportfachverbände wurden kontaktiert um eine Erhebung und Analyse möglicherweise bereits in den einzelnen Sportarten verankerter bzw. in der Praxis (z. B. an den Olympiastützpunkten (OSP)) durchgeführter sportartspezifischer oder allgemeiner Präventions- und Therapiemodule durchzuführen. Bei bereits derartigen existierenden Modulen, werden sie bzgl. ihrer Kongruenz mit dem im Rahmen von MiSpEx verfolgten Paradigma überprüft und – falls noch nicht vorhanden – gegebenenfalls in den Kanon des sportartspezifischen Übungsspektrums aufgenommen.

Teilstudie 3: Analyse vorhandener Trainingsmodule der MiSpEx-Intervention.

Die vier Basisübungen in ihren 12 Schwierigkeitsstufen wurden hinsichtlich kinetischer, kinematischer und EMG Faktoren analysiert (Motion-Capture Systems Vicon Nexus).

Teilstudie 4: Trainingsanalysen zur Art und Häufigkeit auftretender Bewegungen und Belastungen.

Es sind Trainingsanalysen zur Art und Häufigkeit auftretender Bewegungen und Belastungen in verschiedenen olympischen Sportarten erfolgt. Diese wurden mittels systematischer Trainingsbeobachtung durchgeführt.

Teilstudie 5: Entwicklung ergänzender Trainings- bzw. Therapiebausteine

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Teilstudien 1-4 wurden sportartartspezifische Übungen entwickelt.

Teilstudie 6: Feasibilty  und Akzeptanz der Trainingsmodule

Konkret sollen die jeweiligen sportartspezifischen Module  an verschiedenen OSPs sowie im Rahmen von Maßnahmen der jeweiligen Sportverbände zum Einsatz kommen. Die Machbarkeit und Akzeptanz wird nach Erprobung der Übungen (Übungsanweisung erfolgt durch geschultes Studienpersonal) durch Rückmeldung von den Sportler/innen selber, den Trainer/innen sowie den Physiotherapeut/innen und Ärzt/innen abgefragt.

Ergebnisse

Teilstudie 1: Zur Bestimmung der Rückenschmerzprävalenz konnten N=1114 Datensätze verwendet werden (Rücklaufquote: 31%; Geschlecht: 46,5% Männer und 53,1% Frauen; Alter: 20,9 ± 4,8 Jahre; Größe: 176,5 ± 11,5 cm; Gewicht: 71,0 ± 10,3 kg). Über alle Athleten/innen hinweg betrug die Lebenszeitprävalenz 88,5%, die 12-Monatsprävalenz 81,1%, die 3-Monatsprävalenz 68,3% und die Punktprävalenz 49,0%. Eine detailliertere Auswertung hinsichtlich der Sportarten und Lokalisationen der Beschwerden ist der folgenden Veröffentlichung zu entnehmen [6].

Teilstudie 2: 21 olympischen Sportverbände gaben Rückmeldung hinsichtlich vorhandener Rahmentrainingspläne der jeweiligen Sportart. Im Rahmen der Sichtung der Rahmentrainingspläne wurde nur sehr selten eine Verankerung von Trainingsmaßnahmen zur Vermeidung/Vorbeugung von Rückenschmerz deutlich.

Teilstudie 3: Die Betrachtung der Trainingsmodule erfolgte bei N=12 männlichen Probanden (Alter: 24,0 ± 2,7 Jahre; Größe: 178,3 ± 6,5 cm; Gewicht: 73,4 ± 7,9 kg). Es wurden die Drehmomente zum Zeitpunkt der maximalen EMG Aktivitäten auf Höhe der geklebten Elektroden an TH1/TH2 und L3/L4 erfasst. Die Abbildungen 1 und 2 zeigen eine exemplarische Auswertung ausgewählter Übungen hinsichtlich der EMG-Aktivität und des Drehmoments. Aus den ermittelten Drehmomenten lassen sich die durch die Muskulatur zur Stabilisierung des Körpers aufzubringenden Gegenmomente ablesen.

Abbildung 1: Maximale EMG Aktivität

Abbildung 2: Sagittales Drehmoment  

Teilstudie 4-6: Ergebnisse stehen zu diesem Zeitpunkt noch aus.

Diskussion

Die Intervention besteht sensomotorischen Übungen zur Rumpfstabilität mit additiven Störungselementen, angepasst auf die jeweiligen sportartspezifischen Belastungen. Eine Stärke der Intervention ist die Symbiose von großen klinischer Effekten und andererseits der kurzen Durchführungsdauer, so dass sie optimal in Trainingseinheiten der Athelten/innen eingebettet werden könnten. Die Ergebnisse zur Akzeptanz stehen derzeit noch aus.

Literatur

  1. Niederer D, Vogt L, Wippert P-M, Puschmann A-K, Pfeifer A-C, Schiltenwolf M, et al. Medicine in spine exercise (MiSpEx) for nonspecific low back pain patients: study protocol for a multicentre, single-blind randomized controlled trial. Trials. 2016;17:507. doi:10.1186/s13063-016-1645-1.
  2. Kuorinka I, Jonsson B, Kilbom A, Vinterberg H, Biering-Sørensen F, Andersson G, Jørgensen K. Standardised Nordic questionnaires for the analysis of musculoskeletal symptoms. Appl Ergon. 1987;18:233–7.
  3. Klasen BW, Hallner D, Schaub C, Willburger R, Hasenbring M. Validation and reliability of the German version of the Chronic Pain Grade questionnaire in primary care back pain patients. Psychosoc Med. 2004;1:Doc07.
  4. Hasenbring, MI., Hallner, D. & Rusu, AC. The Avoidance-Endurance Questionnaire: Development and validation of a short version of the Kiel Pain Inventory (KPI). European Journal of Pain. 2009:620–8.
  5. Beck, A., Steer, R., Brown, G. Beck Depressions-Inventar – FS: deutsche Bearbeitung von Sören Kliem & Elmar Bröhler. Frankfurt am Main: Pearson Assessment.
  6. Fett D, Trompeter K, Platen P. Back pain in elite sports: A cross-sectional study on 1114 athletes. PLoS ONE. 2017;12:e0180130. doi:10.1371/journal.pone.0180130.

Kontaktadresse [stellvertretend für die Autoren]

Prof. Dr. Platen / D. Fett / K. Trompeter Ruhr-Universität Bochum
Lehrstuhl für Sportmedizin und Sporternährung
Gesundheitscampus Nord Haus 10
44801 Bochum