Rumpfstabilität und Störreize

Rumpfstabilität und Störreize

PSA1: Neuromuskuläre Kontrolle und Rumpfstabilität unter Störreizen

Tilman Engel, Steffen Müller, Juliane Müller, Josefine Stoll & Frank Mayer
Universität Potsdam – Hochschulambulanz

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Einleitung & Problemdarstellung

Der aktiven Kompensation von Belastungen/Störreizen über das neuromuskuläre System wird eine essentielle Bedeutung für die Rumpfstabilität zur Prävention von Überlastung und Verletzung zugeteilt1. Kraftfähigkeit, sowie neuromuskuläre Kontrolle werden in diesem Zusammenhang als relevante Faktoren der Rumpfstabilität und Leistungsfähigkeit diskutiert1–3. Eine Steigerung der Kraftfähigkeit und Stabiltät des Rumpfes durch Krafttraining konnte aufgezeigt werden3,4. Unklar bleibt jedoch, welche Auswirkung ein gezieltes sensomotorisches Training auf die Kraft- und Kompensationsfähigkeit des Rumpfes hat. Ziel dieser Studie ist die Erfassung der Adaption der neuromuskulären Kontrolle und resultierenden Kompensation der rumpfumgreifenden Muskulatur in Maximalkraft-Belastungssituationen mit und ohne externen Störreizen nach Ausübung eines Sensomotorik- und Krafttrainings.

Methodik

Die Studie wurde im randomisierten, kontrollierten (RCT) 3 Gruppendesign mit einer 6-wöchigen Interventionsphase (center-based, 3 Einheiten pro Woche) mit N=43 Probanden (23w/20m, 29±10 Jahre, 174±10 cm, 72±14 kg)  durchgeführt. Die Gruppeneinteilung erfolgte in Kontrollgruppe (KG; N=16), Kraft-Trainingsgruppe (KT; N=16) und Sensomotorik-Gruppe (SMT; N=11). Zu Beginn (M1) und nach Abschluss (M2) der Trainingsintervention erfolgte eine Maximalkraftmessung (Mpeak, [Nm]) mit/ohne zusäztlichen Störreizen in Rumpf-Rotation (ROM: 60°) und Rumpf-Flexion/Extension (ROM:55°) an einem isokinetischen Dynamometer. Es wurden folgende Test-Modi durchgeführt: isometrisch (ISO; 5s), konzentrisch (KON; 30°/s, 5 Wdh.), exzentrisch (EXZ; 30°/s, 5 Wdh), sowie exzentrisch mit appliziertem Störreiz (EXZ+pert; 30°/s, 5 Wdh.; Störreiz: Rotation  2500°/s2 (120ms), Extension 480°/s2 (250ms)). Ein 12-Kanal EMG Setup5 diente der Erfassung der muskulären Aktivität (beidseitig) an: Mm rectus abdominus, obliqus externus abdominus, internus abdominus; erectus spinae thorakal und lumbal, latissimus dorsi. EMG-Amplituden (RMS%, root mean square signal normiert auf ISO) wurden berechnet für den gesamten ROM, sowie für 200ms nach Störreiz für EXZ+pert für agonistische und antagonistische  Muskelaktivität  von Mm. rectus abdominus sowie M. erectus spinae lumbal. Die Ergebnisse wurden dargestellt in Mittelwert ± Standardabweichung. Die Berechnung von Interventionseffekten erfolgte mittels einer zwei-faktoriellen ANOVA (α=0.05).

Ergebnisse

Es wurden keine Unterschiede in Mpeak zwischen den Gruppen (KG, KR, SMT) in Rumpf-Rotation und Rumpf-Flexion/Extension für ISO, KON und EXZ (p>0.05) aufgezeigt. Mpeak Differenzen zwischen M1 und M2 während perturbierter Kraftmessungen (EXZ+pert) unterschieden sich signifikant in KT (M1/2 Extension: 360±115/395±116Nm, Flexion: 145±57/162±56Nm) sowie SMT (M1/2 Rotation: 157±56/176±47Nm, Extension: 328±112/352±130Nm, Flexion: 114±50/142±50Nm)  aber nicht in KG (Figure 1). Normierte EMG Amplituden von Mm. rectus abdominus und Mm. erectus spinae zeigten keine statistisch signifikanten Interventionseffekte von KT und SMT gegenüber KG.

Mpeak-Defferenzen

Abbildung 1: Mpeak Differenzen M1-M2 während Rumpf-Flexion/Extension

Diskussion

Sowohl Kraft- als auch Sensomotorik-Training führten zu messbaren Veränderungen der  reaktiven Kompensation äußerer Störreize. Dieser Effekt ist als Indikator einer gesteigerten  Rumpfstabiltät zu diskutieren. Die Amplituden-Betrachtung agonistischer und antagonistischer Aktivitäten ausgewählter Rumpf- und Rückenmuskeln konnte eine Adaptation auf neuromuskulärer Ebene nicht abschließen erklären. Weitere Parameter zur Erfassung von Veränderungen der neuromuskulären Kontrolle wie beispielsweise Zeitmessgrößen sollten zusätzlich in Betracht gezogen werden.

Zusammenfassung

Trainingsinterventionen mit Perturbationen erzeugen eine erhöhte Reaktiv-Kraft im Sinne einer gesteigerten Belastungs-Kompensation äußerer Lasten.

Literatur

  1. Borghuis J, Hof AL, Lemmink K a PM. The importance of sensory-motor control in providing core stability: implications for measurement and training. Sports Med. 2008;38(11):893-916.
  2. Kibler W Ben, Press J, Sciascia A. The role of core stability in athletic function. Sports Med. 2006;36(3):189-198.
  3. Hibbs AE, Thompson KG, French D, Wrigley A, Spears I. Optimizing performance by improving core stability and core strength. Sports Med. 2008;38(12):995-1008.
  4. Stuber KJ, Bruno P, Sajko S, Hayden J a. Core Stability Exercises for Low Back Pain in Athletes: A Systematic Review of the Literature. Clin J Sport Med. 2014;0(0):1-9.
  5. Radebold A, Cholewicki J, Panjabi MM, Patel TC. Muscle response pattern to sudden trunk loading in healthy individuals and in patients with chronic low back pain. Spine (Phila Pa 1976). 2000;25(8):947-954.

Kontaktadresse

Prof. Dr. Frank Mayer / Tilman Engel
Universität Potsdam – Hochschulambulanz
Am Neuen Palais 10 Haus 12
14469 Potsdam