Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung

Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung

PSD10: Dosis-Wirkungs-Beziehung verschiedener Verhaltenstherapie-Module auf die Schmerz-Wahrnehmung und -verarbeitung

Universität Potsdam – Professur für Sport- und Gesundheitssoziologie

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Einleitung & Problemstellung

Das verhaltenstherapeutische Trainingsmodul (VT-Modul) der Machbarkeitsstudie (MSB) setzt sich aus einer Psychoedukation, Ablenkung während dem Training und einem Body Scan zusammen. Mit diesem multimodalen Zugang sollten Emergenzeffekte von verschiedenen Therapiebausteinen erzielt werden. Es bleibt jedoch offen, ob sich der Interventionserfolg durch einen bestimmten Baustein oder durch die Kombination einstellt. Daher beschäftigt sich die PSD10 zunächst mit der Frage nach der Dosis-Wirkungs-Beziehung von einzelnen Ablenkungsmodalitäten auf die Schmerzwahrnehmung. Nach Übernahme der effektstärksten Ablenkungsmodalität in das Trainingsprogramm sollen dann die Effekte der multimodalen Intervention auf die Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung untersucht werden. Die Ablenkungsmodalitäten betreffen hierbei – neben den bereits in der MSB (MiSpEx I) etablierten Modalitäten des kognitiven und sensorischen Bereichs – auch emotionale und soziale Ablenkungsmodalitäten, womit zusätzlich der Einfluss der Patient-Therapeut-Interaktion berücksichtigt werden soll. Die Studienziele werden in zwei Teilstudien erarbeitet.

Methodik

In Studie 1 sollen die Effekte einzelner Ablenkungsmodalitäten auf Schmerz bei verschiedenen Probandengruppen (Allgemeinbevölkerung vs. Schmerzpatienten vs. Sportler) besser verstanden werden, wobei zwischen 4 Ablenkungsmodalitäten (kognitiv/n-back, sensorisch/Body Scan, emotional/IAPS Töne, sozial/Therapeutenverhalten) unterschieden wird. Die Schmerzapplikation wird durch einen elektrischen Schmerzreiz (vgl. Seminowicz et al., 2004) operationalisiert. Die angestrebte Stichprobe von N = 92 Personen beiderlei Geschlechts im Alter zwischen 18 und 65 Jahren setzt sich zu gleichen Anteilen (n = 23) zusammen aus Leistungssportlern (A-C Kader), Schmerzpatienten (unspezifischer muskuloskelettaler Schmerz gemäß ICD-50-54) jeweils aus Ambulanz und aus Rehabilitationsklinik und Personen der Allgemeinbevölkerung. Es werden within-subjects Analysen vorgenommen.

In Studie 2 soll untersucht werden, ob ein multimodales Training (Ablenkung während des sensomotorischen Trainings, SMT+AL) besser auf die subjektive und neuronale Schmerzwahrnehmung und –verarbeitung wirkt als ein unimodales sensomotorisches Training (SMT). Dazu wird aus Studie 1 die effektstärkste Ablenkungsmodalität herausgenommen und mit dem sensomotorischen Training (SMT) verbunden. Im Anschluss wird ein randomisiertes Kontrollgruppendesign (Kontrollgruppe vs. unimodale Gruppe vs. multimodale Gruppe) durchgeführt. Die angestrebte Stichprobe von N = 225 Schmerzpatienten beiderlei Geschlechts im Alter zwischen 18 und 65 Jahre werden in gleichen Teilen (jeweils n =75) den drei Studiengruppen (unimodale Intervention, multimodale Intervention, Kontrollgruppe) zugeteilt. Für die MRT-Messungen sind Teilstichproben von n = 120 (40 pro Studiengruppe) vorhergesehen. Mit Hilfe der Bildgebung sollen mögliche Effekte auf der neuronalen Ebene dokumentiert und quantifiziert werden. Weiterhin wird der in MiSpEx-I für die moderierenden Faktoren entwickelte Risk-Stratification Index-Sozial (RSI-S und Biomarker aus PSA3) und der Risk-Präventionsindex- Sozial (RPI-S) erhoben. Der RSI-S gibt Auskunft über das Risikoprofil und der RPI-S über die individuell geeignete Therapieform (uni-, multimodal), so dass der Gewinn von neuen Kenntnissen zur Dose-Response, also zum Ansprechen auf eine Interventionsform in Abhängigkeit vom individuellen Risikoprofil erhofft werden.

MiSpEx_MSB_Demonstrationsposter

Abbildung 1: Bild3 aus PSA16, Wiebking et al., 2016; Bild 4 aus MiSpEx MSB Demonstrationsposter (Mayer et al. 2013)

Arbeitsgruppe:

Wippert, P.-M., Rose, M., Fiebach, J., de Witt Huberts, J., Motter, S., Peters, E., Figura, A.; Krause, T., Mekle, R., Villringer, K.

Kooperationspartner:

Universitätsmedizin Charité Berlin, Klinik für Psychosomatik und Universitätsmedizin Charité Berlin, Center for Stroke Research

Literatur

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  8. Wippert, P.M., et al. (2015) Beschreibung und empirische Fundierung des verhaltenstherapeutischen Moduls der MiSpEx-Intervention. Der Schmerz, 29, 658-663.
  9. Wippert, P.-M. & Wiebking, C. (2016). Psychobiologie der Adaptation an körperliche Aktivität und psychischem Stress. Der Schmerz, 30, 429-436.

Kontaktadresse

Prof. Dr. Pia-Maria Wippert
Professur für Sport- und Gesundheitssoziologie
Universität Potsdam
Am neuen Palais 10, Haus 12
14469 Potsdam
wippert@uni-potsdam.de