Systematische Sportartenanalyse

Systematische Sportartenanalyse

PSA10: Systematische Analyse von Haltungen und Bewegungen des Rumpfes in verschiedenen Sportarten und Sportartengruppen

D. Fett1, K. Trompeter1, Dr. K. Heinrich2, J. Funken2, Prof. Dr. GP. Brüggemann2 & Prof. Dr. P. Platen1

1Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Sportmedizin und Sporternährung

2Sporthochschule Köln, Institut für Biomechanik und Orthopädie

Einleitung & Problemdarstellung

Rückenschmerzen sind in der Gesellschaft und auch im Sport zentrales Thema, sie gehören zu den häufigsten Erkrankungen unserer modernen Zivilisationsgesellschaft [1]. Die Entstehung von Rückenschmerz wird als multikausaler Prozess beschrieben, bei dem physische, soziodemografische und psychologische Faktoren zusammenwirken und zu den Beschwerden führen [2] .  Im Sport sollte zudem das sportartspezifische physische Anforderungsprofil betrachtet werden [3]. Die Wirbelsäule ist hier durch hohe oder sich ständig wiederholende mechanische Belastungen der Gefahr von Über- und Fehlbelastungen ausgesetzt [4], die die Wahrscheinlichkeit einer mechanischen Ätiologie in dieser Population verstärkt.

Der Auffassung zufolge, dass durch eine ausreichend differenzierte Betrachtung der Wirbelsäule unter Berücksichtigung ihrer biomechanischen Komplexität und des individuellen menschlichen Bewegungsmusters in vermehrtem Maß Schmerzursachen diagnostizieren werden könnten, soll im Rahmen dieser Studie eine quantitative Analyse der mechanischer Belastungen der Wirbelsäule in verschiedenen Sportarten erfolgen. Hierzu werden Klassifikationen verschiedener sportartspezifischer, motorischer Aktionen vorgenommen, indem Höhenabschnitte der Wirbelsäule hinsichtlich funktioneller Anforderungen (Flexion, Extension, Lateralflexion und Rotation) analysiert werden. Das Bewegungsausmaß, die Dauer und die Häufigkeiten der klassifizierten motorischen Aktionen stellen einen wichtigen Aspekt für die Beurteilung dar. Das Studienziel wird in  2 Teilstudien erarbeitet.

Methodik

Teilstudie 1: Wettkampfanalysen

Es erfolgten Wettkampfanalysen verschiedener olympischen Sportdisziplinen, um sportartspezifische Bewegungsmuster während des Wettkampfes  zu identifizieren. Durch videobasierte Wettkampfanalysen wurden Kategoriensysteme dieser Bewegungsaktionen erstellt, die hinsichtlich Auftretenshäufigkeit und –dauer analysiert wurden. Es wurden Filmaufnahmen hochklassiger internationaler sowie nationaler Wettkämpfe erstellt und auf bereits vorhandenes, allgemein zugängliches Videomaterial zurückgegriffen. Die Analyse des Videomaterials erfolgt mittels der Software Dartfish Team Pro 6.

Teilstudie 2: Kinematische Bewegungsanalyse

Es erfolgten kinematische Bewegungsanalysen von sportartspezifischen Bewegungen verschiedener olympischen Sportdisziplinen. Die Quantifizierung der Bewegung der Wirbelsäule erfolgt mittels kinematischer 3D-Bewegungsanalyse (Vicon Nexus 1.8.2, Vicon Motion Systems, Oxford, Großbritannien). Folgende Abschnitte der Wirbelsäule werden hinsichtlich Flexion, Extension, Lateralflexion und Rotation untersucht: Gesamte Wirbelsäule (C7-L5), HWS (C1-C7), gesamte Brustwirbelsäule (C7-L1), obere BWS (C7-Th6), untere BWS (Th6-L1) und LWS (L1-L5). Die Probanden/innen wurden hierzu am Körper mit 70 lichtreflektierenden Marker versehen. Die sportartspezifischen Bewegungen wurden von zehn Infrarotkameras aufgezeichnet. Die Risikobeurteilung erfolgte in Anlehnung an die DIN EN 1005-4 [5].

Ergebnisse

Teilstudie 1: Wettkampfanalysen

Exemplarisch werden hier die Ergebnisse für die Sportart Volleyball dargestellt.

Abbildung 1 zeigt einen Auszug der Analysen zum Volleyball. Die positionsabhängigen (Außenangreifer, Diagonalspieler, Libero und Zuspieler) Häufigkeitsverteilungen von Bewegungsaktionen hochklassiger Volleyballspielerinnen (N=4), die mit unterschiedlichen Belastungen der Wirbelsäule einhergehen, werden deutlich.

Abbildung 1:  Ballbezogene Handlungen unterschiedlicher Spielpositionen

 

Teilstudie 2: Kinematische Bewegungsanalyse

In allen untersuchten Sportarten treten Bewegungen auf, die einem Risikobereich mit hohem  Gefährdungspotential zugeordnet werden können. Exemplarisch wird hier Bezug auf die Sportart Volleyball genommen. Die Abbildung 2 zeigt den Verlauf der Wirbelsäulenbewegung während des Angriffsschlags von N=3 Probanden. Tabelle 1zeigt die gemittelten (N=3) maximalen und minimalen Winkelgrade während des  Angriffsschlags hinsichtlich verschiedener Bewegungsrichtungen und Wirbelsäulenbereiche.

Abbildung 2: Winkelverlauf während des Angriffsschlags

Tabelle 3: Maximales Bewegungsausmaß [°]während des Angriffsschlags (N=3)

Diskussion

Sowohl Hyper- als auch Hypomobilität der Wirbelsäule wird unter anderem mit dem Auftreten von Rückenbeschwerden in der Literatur diskutiert [6, 7] . Die Wirbelsäule bewegt sich in verschiedenen sportartspezifischen Bewegungen im endgradigen Winkelbereichen. Es wird angenommen, dass in diesen Bereichen,  die passiven Wirbelsäulenstrukturen (z. B. Wirbel, Bandscheiben und Bänderstrukturen) ein größeres Risiko einer Wirbelsäulenverletzung aufweisen als in neutralen Haltungen.

Literatur

  1. Sitthipornvorakul E, Janwantanakul P, Purepong N, Pensri P, van der Beek, Allard J. The association between physical activity and neck and low back pain: a systematic review. Eur Spine J. 2011;20:677–89. doi:10.1007/s00586-010-1630-4.
  2. Marras WS. The future of research in understanding and controlling work-related low back disorders. Ergonomics. 2005;48:464–77. doi:10.1080/00140130400029175.
  3. Dalichau S, Scheele K. Die thorakolumbale Wirbelsäulenform männlicher Leistungsvolleyballspieler. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin. 2002;53:12–6.
  4. Filler TJ, Peuker ET. Aspekte der klinischen Anatomie der Wirbelsäule unter besonderer Berücksichtigung des Lendenwirbelsäule und sportlicher Belastungen. Sportorthopädie, Sporttraumatologie = Sports orthopaedics and traumatology. 2004;20:13–8.
  5. Hoehne-Hückstädt, U., Herda, C., Hermanns, R., Hamburger, R. & Ditchen, D. BGIA Report 2/2007. Muskelskeletterkrankungen der oberen Extremität und berufliche Tätigkeit.
  6. Panjabi MM. The stabilizing system of the spine. Part II. Neutral zone and instability hypothesis. J Spinal Disord. 1992;5:390-6; discussion 397.
  7. Panjabi MM. The stabilizing system of the spine. Part I. Function, dysfunction, adaptation, and enhancement. J Spinal Disord. 1992;5:383-9; discussion 397. Rheinbreitbach: Plump OHG.

 

Kontaktadresse [stellvertretend für die Autoren]

Prof. Dr. Platen / D. Fett / K. Trompeter Ruhr-Universität Bochum
Lehrstuhl für Sportmedizin und Sporternährung
Gesundheitscampus Nord Haus 10
44801 Bochum